Wie rechte antifeministische Angriffe den Alltag beeinflussen – von der Kommunalpolitik bis zum Kindergarten

Analyse

Rechter Antifeminismus ist längst kein Randphänomen mehr. Auf kommunaler Ebene manifestiert er sich durch organisierte und strategische Angriffe auf Kommunalpolitiker*innen, Gleichstellungsstellen und Kitas. 

Ein Fahrradfahrer fährt an einem rot geklinkertem Radhaus vorbei. Das bild wirkt statisch und trotz Person, verlassen.

Rechtsextreme Akteur*innen nutzen lokale Strukturen, um Gleichstellungspolitik und Geschlechtergerechtigkeit zu delegitimieren. Dies zeigt, dass antifeministische Angriffe Herausforderungen in alltäglichen gesellschaftlichen Strukturen erzeugen. Dieser Artikel behandelt konkrete Praxisbeispiele aus Interviews. Er präsentiert auch Forderungen der kritischen demokratischen Zivilgesellschaft gegen rechts, um öffentliche Räume sicherer zu machen. 1 

Antifeminismus wird als eine Säule der rechtsextremen Ideologie beschrieben.

Die Auseinandersetzungen mit Geschlechtergerechtigkeit sind große Themen in gesellschaftlichen Debatten. Zum Beispiel geht es um das sprachliche Gendern oder geschlechterneutrale Toiletten. Für manche Menschen sind diese Diskussionen existenziell und beeinflussen den Alltag und ihre Sicherheit. Andere empfinden diese Themen als fern und als politisches Problem.

Oft mischen sich rechtsextreme Akteur*innen in die Debatten um Geschlechtergerechtigkeit ein. Ihre Auswirkungen auf den Alltag von Organisationen und Kommunen bleiben unsichtbar. Dabei ist Rechtsextremismus eng mit Antifeminismus verbunden. Antifeminismus wird als eine Säule der rechtsextremen Ideologie beschrieben. Es bedeutet hier nicht einfach, dass jemand gegen die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ist. Es geht um etwas Größeres: eine politische Haltung, welche die alte, patriarchale und auf weißer Vorherrschaft beruhende Ordnung der Gesellschaft verteidigen, wiederherstellen und stärken will. Das bedeutet auch, Menschenrechte von queeren Personen abzulehnen. Hier überschneidet sich Antifeminismus oft mit Rassismus, speziell anti-muslimischer Rassismus, Antisemitismus, und Demokratiefeindlichkeit. Geschlechterthemen werden von rechten Gruppierungen oft als einfacher Zugang zur Verbreitung ihrer rassistischen Ideologie genutzt. Sie dienen als Instrument ihrer Mobilisierung mit Scharnierfunktion. Denn Antifeminismus ist laut Leipziger Autoritarismusstudie 2024 mit 23 % auch in großen Teilen der deutschen Gesellschaft verbreitet.

Angriffe reichen von Sachbeschädigungen, Beleidigungen und Drohbriefen bis hin zu Bedrohungen gegenüber Angehörigen.

Rechter Antifeminismus geht weit über politische Debatten hinaus. Er wirkt sich auf den Alltag und die Sicherheit vieler Menschen und öffentlichen Organisationen aus, etwa auf die Kommunalpolitik, Vereine, Kitas, Schulen und Gleichstellungsbüros.

Rechte antifeministische Angriffe auf die Kommunalpolitik und Gleichstellung


Kommunalpolitiker*innen und Gleichstellungsbeauftragte erleben regelmäßig Angriffe von rechten Akteur*innen. Dabei ist die Kommunalpolitik für Frauen und queere Personen durch die männlich dominierte Debattenkultur und die Abwertung weiblicher Perspektiven ohnehin schon herausfordernd genug. Angriffe reichen von Sachbeschädigungen, Beleidigungen und Drohbriefen bis hin zu Bedrohungen gegenüber Angehörigen. Häufig werden digitale Kanäle für sexualisierte und geschlechtsbasierte Angriffen genutzt. So wurde 2023 eine Kommunalpolitikerin im Internet durch sexistische und antifeministische Beleidigungen massiv angegriffen. Die Täter ließen sich der neonazistischen Kleinstpartei „Der Dritte Weg“ zuordnen. Der Fall hatte strafrechtliche Relevanz und erforderte die Einbindung einer Opferberatungsstelle. Laut dem Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) geht Gewalt gegen Abgeordnete und Vertreter*innen demokratischer Parteien auch oft von Funktionär*innen der Alternative für Deutschland (AfD) aus. Zudem zeigt eine Vielfaltsstudie, dass durch Angriffe auf Kommunalpolitiker*innen vor allem eine Verhaltensänderung weiblicher und migrantischer Personen zu beobachten ist. Durch diese gezielten Einschüchterungen werden Frauen, queere und migrantische Personen aus der Kommunalpolitik verdrängt und ihre physische und psychische Sicherheit bedroht. Viele von ihnen bewerben sich aus Angst vor Angriffen, vor allem von rechtsextremer Seite, gar nicht erst für ein kommunales Amt.

Obwohl sich die AfD auf Familienpolitik beruft, verfolgt sie eine patriarchale Rollenverteilung: Frauen sollen die Sorgearbeit übernehmen und möglichst lange der Erwerbsarbeit fernbleiben.

Gleichstellungsbeauftragte aus verschiedenen Regionen berichten zunehmend von Angriffen in Form von öffentlichen Diffamierungen, etwa durch parlamentarische Anfragen der AfD, Anträgen im Kreistag oder persönliche Anfeindungen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen berichtet, dass seitdem die AfD in den Bundestag eingezogen ist, Angriffe auf Gleichstellung, Frauenrechte oder auch Gender-Studies zur Tagesordnung gehören. Dazu zählen Blockaden von Fördergeldern, persönliche Angriffe auf ihre Funktion oder Forderungen, Gleichstellungsarbeit nur noch ehrenamtlich zu leisten. Dabei geht es nicht nur um das Amt selbst, sondern auch um familienfreundliche Maßnahmen wie die Unterstützung von Frauen in Elternzeit oder beim Wiedereinstieg nach einer Geburt. So stört ein AfD-Mitglied und Professor an einer deutschen Hochschule immer wieder den Prozess des Vereinbarkeitszertifikat der Einrichtung. Er fordert, dass Frauen sich lieber zuhause um die Kinder kümmern sollten, als wieder zurück an den Arbeitsplatz zu kehren. Obwohl sich die AfD auf Familienpolitik beruft, verfolgt sie eine patriarchale Rollenverteilung: Frauen sollen die Sorgearbeit übernehmen und möglichst lange der Erwerbsarbeit fernbleiben. Diese Entwicklungen zeigen, wie antifeministische Angriffe nicht nur ideologisch, sondern zunehmend auch strategisch genutzt werden, um demokratische Institutionen zu unterwandern.

Rechte antifeministische Angriffe auf Bildungseinrichtungen und Kitas


In mehreren Regionen ist eine gezielte antifeministische Einflussnahme rechter Akteur*innen auf Bildungseinrichtungen zu beobachten. Rechte Frauen drängen bewusst in Elterngremien ein, um dort die geschlechtersensible und inklusive Arbeit von Kitas und Schulen zu destabilisieren. Sie schüren Ängste in der Elternschaft, instrumentalisieren Rechte von Kindern, streuen Desinformationen und stiften Konflikte an. Dies führt zu Druck auf Leitungspersonen und pädagogisches Personal, insbesondere wenn sich Kitas offen für beispielweise demokratische Werte positionieren. In einem Fall wurde eine Kita-Leitung angegriffen, weil die Einrichtung sich für geschlechtersensible Pädagogik aussprach. Eltern mit rechtem Hintergrund drohten mit Anzeigen.

Hier führen Geschlechterstereotype und die Entpolitisierung des Bildungsbereichs dazu, dass rechtsextreme Einstellungen von Frauen nicht erkannt werden.

Rechte Frauen nutzen Elterngruppen zudem zur Verbreitung ihrer Ideologien und Mobilisierung. Diese Art der Rekrutierung und Einflussnahme bleibt oft unsichtbar, weil rechte Frauen seltener als gefährlich wahrgenommen werden. So wurde etwa eine rechtsextreme Erzieherin im Kita-Alltag als nett und liebevoll beschrieben. Sie hatte in der Vergangenheit auf Corona-Demos Journalist*innen angegriffen. Hier führen Geschlechterstereotype und die Entpolitisierung des Bildungsbereichs dazu, dass rechtsextreme Einstellungen von Frauen nicht erkannt werden.

In manchen Schulen werden die Themen Gender und Diversität als „zu heikel“ erklärt und im Unterricht ausgeklammert, um so weniger Angriffsfläche für rechte Eltern zu bieten.

Ähnliche Vorfälle gibt es auch an Schulen, in denen nicht nur rechte Lehrer*innen und Schüler*innen Probleme und Gewalt verursachen. Auch dort boykottieren rechte Elterngremien geschlechtersensible Bildung und zielen darauf ab, dass Themen wie sexuelle Vielfalt aus Bildungsplänen gestrichen werden. Lehrpersonal und Schulleitungen sind oft überfordert mit diesen Themen. Die AfD hat in der Vergangenheit zum Beispiel Kampagnen gegen sexuelle Vielfalt unterstützt. In manchen Schulen werden die Themen Gender und Diversität als „zu heikel“ erklärt und im Unterricht ausgeklammert, um so weniger Angriffsfläche für rechte Eltern zu bieten. Bildung wird so zu einem strategischen Feld für rechtsextreme Einflussnahme, bei der antifeministische und anti-diversitätsorientierte Positionen unter dem Deckmantel elterlicher Mitbestimmung normalisiert und etabliert werden sollen.

Dagegenhalten im Alltag


Die kritische Zivilgesellschaft gegen rechts ist in Deutschland breit aufgestellt. Beispielsweise gibt es den Bundesverband der mobilen Beratung, die Bundesarbeitsgemeinschaft Ausstieg zum Einstieg (BAG Ausstieg), und den Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG). Diese Organisationen unterstützen Kommunen, Schulen und Kitas, aber auch Vereine im Bereich antifeministischer Angriffe von rechts. Zum Beispiel werden vermehrt Workshops für Kommunalpolitiker*innen und auch Interessierte angeboten wie in der Stadt Zossen in Brandenburg. Zum einen wird dabei die Kommunalpolitik für neue und angehende Amtsträger*innen erklärt, zum anderen werden Schutzmaßnahmen gegen rechte Angriffe und das politische Thema Antifeminismus erklärt. Mobile Beratungsteams sind dabei eine wichtige Anlaufstelle für Kommunen, Vereine und Bildungseinrichtungen.

Vor allem im Hinblick auf die physischen und psychischen Bedrohungen, Gewalt und Sicherheitseinschränkungen von politisch aktiven Menschen gibt es Leerstellen, Schulen und andere Bildungseinrichtungen erhalten zu wenig Unterstützung. 

Auch in Bezug auf Gegen- und Präventivmaßnahmen gibt es Organisationen und Initiativen. Zum Beispiel gibt es die Meldestelle Antifeminismus oder das Projekt „Spotlight - Antifeminismus erkennen und begegnen“ , die dokumentieren und Bildungsangebote leisten. Und trotzdem: die Auseinandersetzung mit rechtem Antifeminismus ist noch nicht ausreichend genug. Vor allem im Hinblick auf die physischen und psychischen Bedrohungen, Gewalt und Sicherheitseinschränkungen von politisch aktiven Menschen gibt es Leerstellen, Schulen und andere Bildungseinrichtungen erhalten zu wenig Unterstützung. Gerade in Kommunen, in denen die AfD viel Macht hat, bedeutet das für einige Menschen alltägliche Gewalt bis hin zur Kündigung von Berufen oder Ämtern. Es braucht deshalb systematische institutionelle und individuelle Schutzkonzepte und Strafverfolgung antifeministischer Gewalt. Zudem fordert die Zivilgesellschaft eine klare politische Anerkennung der antifeministischen Gefahr sowie eine strukturelle Förderung von demokratischer Zivilgesellschaft, wie zum Beispiel das Demokratieförderungsgesetz. 
 

Fußnoten
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    Die Analyse ist eine Zusammenfassung der Doktorarbeit der Autorin. Sie basiert auf 21 Interviews mit zivilgesellschaftlichen Akteur*innen zum Thema Antifeminismus von rechts.